Ski alpin: Mikaela Shiffrin stellt Weltcup-Rekord von Ingemar Stenmark ein

“Wenn ich Ski fahre, ist es wie ein Lied… Flow, Kraft, Rhythmus. Man kann nicht anders, als sich großartig zu fühlen”, schrieb Mikaela Shiffrin im vergangenen Jahr in den sozialen Netzwerken. Skifahren ist ihr Leben. Die 27-Jährige zählt unbestritten zu den stärksten Fahrerinnen der alpinen Skigeschichte, viele Expertinnen und Experten halten sie sogar für die Beste aller Zeiten. Jetzt hat Shiffrin ihrer Rekordsammlung eine weitere Bestmarke hinzugefügt: Ihr Sieg beim Riesenslalom in Are in Schweden war Shiffrins 86. Weltcup-Erfolg.   

Damit schloss die US-Amerikanerin zur Skilegende Ingemar Stenmark auf. Der Schwede hatte in den 1970er und 80er Jahren mit ebenfalls 86 Weltcup-Siegen einen Rekord aufgestellt. “Sie hat es so sehr verdient”, hatte der inzwischen 66 Jahre alte Stenmark schon im Vorfeld gesagt. “Sie ist eine großartige Skifahrerin. Und was mich am meisten beeindruckt, ist, dass sie in allen Disziplinen so gut ist – was mir niemals gelungen ist. Ich bin mir auch sicher, dass sie die Erste sein wird, die 100 Siege [im Weltcup – Anm. d. Red.] erreicht.”

“Das ist ein spektakulärer, ein wilder Tag”, sagte Shiffrin nach ihrem Sieg in Are, wo sie vor elf Jahren auch ihr erstes Weltcuprennen gewonnen hatte: “Mit Stenmark in einem Satz genannt zu werden, ist unglaublich.” Als kleines Mädchen habe sie davon geträumt, Weltcup-Rennen zu gewinnen, so Shiffrin, aber “nie gedacht, dass ich diesen Rekord erreichen könnte”. 

Rücktrittsgedanken nach Tod des Vaters

Dabei hatte Shiffrins Karriere schon einmal kurz vor dem Ende gestanden: nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters im Februar 2020. Jeff Shiffrin hatte das Dach des Familienhauses in Edwards im US-Bundesstaat Colorado reparieren wollen und war dabei abgestürzt. Der 65-Jährige erlag seinen schweren Kopfverletzungen. Shiffrin war untröstlich “über das unerwartete Ableben meines gutherzigen, liebevollen, fürsorglichen, geduldigen und wunderbaren Vaters”, wie sie auf Twitter schrieb. “Unsere Berge, unser Meer, unser Sonnenaufgang, unser Herz, unsere Seele, unser Alles. Er hat uns so viele wertvolle Lektionen gelehrt.”

Shiffrin brach nach dem Schicksalsschlag die Weltcupsaison ab. Monatelang war unklar, ob sie in den Skizirkus zurückkehren würde. “Ich wollte nicht mehr Ski fahren. Ich wollte nichts essen. Ich wollte nicht mehr schlafen”, sagte der US-Star später über diese schwere Zeit. In die Saison 2020/21 stieg sie verspätet ein. Als Shiffrin zehn Monate nach dem Tod ihres Vaters ihren 67. Weltcupsieg einfuhr, brach sie im Zielraum in Tränen aus. “Ich habe nicht gewusst, ob ich noch einmal auf dem Level fahren kann”, sagte sie. “Es braucht so viel Energie. Das ist ein Sieg für mein ganzes Team, für meine Mutter. Ich bin heute nicht allein gefahren.” Shiffrins Mutter Eileen hatte die Weltklassefahrerin noch bis 2019 trainiert, sich dann aber in die zweite Reihe zurückgezogen.

Mit 17 Jahren Weltmeisterin, mit 18 Olympiasiegerin

Shiffrins Eltern waren früher selbst Skirennen gefahren. Schon mit zweieinhalb Jahren stand Mikaela erstmals auf Skiern. Wie ihr älterer Bruder Taylor besuchte sie eine Eliteschule für Wintersportler im US-Bundesstaat Vermont. “Sie ist die Beste, die ich je gesehen habe”, sagte der damalige Schuldirektor über Shiffrin. Im März 2011 bestritt sie zwei Tage vor ihrem 16. Geburtstag ihr erstes Weltcuprennen, im Dezember 2012 stand sie beim Slalom in Are erstmals ganz oben auf dem Podest.

Mikaela Shiffrin bejubelt bei der WM 2013 in Schladming mit hochgestreckten Armen ihren Sieg im Slalom.

Mikaela Shiffrin war noch 17, als sie in Schladming ihren ersten WM-Titel im Slalom gewann

Vor allem in dieser Disziplin feierte Shiffrin nun Erfolge in Serie. 2013 wurde sie in Schladming in Österreich als 17-Jährige erstmals Slalom-Weltmeisterin, 2014 in Sotschi in Russland mit 18 Jahren Olympiasiegerin. Bis heute sammelte Shiffrin bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften insgesamt 14 Medaillen, davon zweimal Olympisches Gold und sechs WM-Titel.

Weltcupsiege in allen Disziplinen

In der Weltcup-Saison 2015/16 versuchte sich Shiffrin auch erstmals in den Geschwindigkeitsdisziplinen Super-G und Abfahrt. Nach etwas Anlaufzeit feierte sie auch dort Weltcup-Siege. Shiffrin ist eine von nur sieben Skirennläuferinnen, die in allen fünf Weltcup-Disziplinen (Slalom, Riesenslalom, Super-G, Abfahrt, Kombination) erfolgreich waren. Viermal – 2017, 2018, 2019 und 2022 – sicherte sich die US-Amerikanerin bisher den Gesamtweltcup.

Aleksander Aamodt Kilde umarmt Mikaela Shiffrin, beide lächeln in die Kamera.

Zwei Stars der alpinen Ski-Szene, ein Paar: Mikaela Shiffrin und Aleksander Aamodt Kilde

“Ihr Ehrgeiz ist unglaublich, bei ihr ist 24 Stunden am Tag alles auf den Skisport ausgelegt”, sagte US-Techniktrainer Roland Pfeifer bereits 2013 über die damals 17 Jahre alte Shiffrin. Diesen Ehrgeiz hat sie bis heute nicht verloren. Shiffrin selbst sind ihre Erfolge manchmal nicht ganz geheuer: “Irgendwie ist es verrückt: Je mehr ich gewinne, desto mehr Angst habe ich davor, es künftig nicht mehr zu tun. Es ist ein unheimliches Gefühl”, sagte sie einmal. Bislang ist diese Angst eher unbegründet. Nicht nur sportlich, auch privat läuft es für den US-Superstar rund: Mit dem Norweger Aleksander Aamodt Kilde, Gesamtweltcupsieger 2020, bildet Shiffrin ein Traumpaar des alpinen Skirennsports.

Der Artikel wurde nach Shiffrins 86. Weltcupsieg aktualisiert.