Netanyahu ignorierte Warnungen von Sicherheitsdiensten – NYT

Die Offiziellen selbst unterschätzten auch die Bedrohung durch Hamas und konzentrierten sich stattdessen auf den Iran und die Hisbollah, berichtete das Medium.

Israels Sicherheitsdienste warnten Premierminister Benjamin Netanjahu monatelang davor, dass seine innenpolitischen Entscheidungen gefährliche politische Unruhen anheizten, berichtete die New York Times am Sonntag. Die Offiziellen hätten demnach betont, dass innere Dissonanz die Sicherheit des Landes schwächen und Israels Feinde stärken würde.

Der Bericht war Teil einer Untersuchung darüber, was zu den jüngsten Feindseligkeiten zwischen Israel und Gaza geführt hatte. Zu einem Zeitpunkt im Juli soll der Premierminister sogar einen ranghohen General abgewiesen haben, der versuchte, eine Bedrohungswarnung auf der Grundlage geheimer Erkenntnisse zu überbringen.

Gleichzeitig bewertete die NYT, dass die israelischen Sicherheitsvertreter selbst die Bedrohung durch Hamas kontinuierlich falsch einschätzten, auch in den Wochen vor dem 7. Oktober-Angriff auf israelisches Gebiet, bei dem bis zu 1.400 Menschen starben.

Die Zeitung berichtete, dass der israelische Militärgeheimdienst seit Mai 2021 der Ansicht war, dass die militante Gruppe nicht an groß angelegten Angriffen aus Gaza interessiert sei, sondern stattdessen einen Angriff im Westjordanland plane, wo die Palästinensische Autonomiebehörde die Kontrolle hat, die ein Rivale von Hamas ist.

Sie sagte auch, dass sowohl Netanjahu als auch die Führungskräfte des israelischen Sicherheitsapparats die Bedrohung durch Hamas unterschätzt und nicht genügend Ressourcen für ihre Bekämpfung eingesetzt hätten, weil sie glaubten, dass der Iran und die libanesische Miliz Hisbollah eine größere Gefahr für den jüdischen Staat darstellten.

Im September kamen führende israelische Beamte zu dem Schluss, dass Israel in den kommenden Wochen oder Monaten von pro-iranischen Milizen auf mehreren Fronten angegriffen werden könnte. Eine mögliche Attacke aus Gaza wurde zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht erwähnt.

Ein weiterer Grund für den Erfolg des Überraschungsangriffs Anfang dieses Monats sei laut dem Medium die Tatsache gewesen, dass US-Geheimdienste die Gruppe weitgehend aus den Augen verloren hätten und davon ausgingen, dass Israel die Bedrohung in den Griff bekomme.

Inzwischen haben zwar viele ranghohe israelische Beamte die Verantwortung für ihre Fehleinschätzung übernommen, Premierminister Netanjahu aber habe sich bislang geweigert, dies ebenfalls zu tun und stattdessen immer wieder mit dem Finger auf seine Militärs und Geheimdienstchefs gezeigt, die es versäumt hätten, Hamas’ Pläne vorherzusagen und ihn zu warnen.

Am Sonntag veröffentlichte er auf X (ehemals Twitter) erneut einen Beitrag, in dem er sein Kabinett beschuldigte, den Angriff vom 7. Oktober nicht verhindert zu haben. Nach Kritik löschte Netanjahu diesen Beitrag jedoch und postete eine andere Nachricht, in der er schrieb “Ich habe mich geirrt” und versprach, die Leiter der israelischen Sicherheitsbehörden voll zu unterstützen.