Ukraine Aktuell: Wiederaufbaukonferenz beginnt in Lugano

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • “Marshall-Plan” für die Ukraine soll in Lugano erarbeitet werden
  • Selenskyj spricht von Rückeroberung der Stadt Lyssytschansk
  • IOC-Präsident Bach stellt sich bei Kiew-Besuch hinter Ukraine
  • Lukaschenko betont erneut Verbundenheit mit Russland
  • Deutsche Gasvorräte laut Bundesnetzagentur deutlich zu gering

 

Delegationen aus fast 40 Ländern und internationale Organisationen beraten von diesem Montag an im schweizerischen Lugano über den Wiederaufbau der Ukraine – ungeachtet der andauernden Kämpfe. Die Regierung des kriegszerstörten Landes will dabei erstmals ihre Prioritäten für den Aufbauprozess präsentieren. Für die Ukraine nehmen Regierungschef Denys Schmyhal und Außenminister Dmytro Kuleba teil. Präsident Wolodymyr Selenskyj wird per Video zugeschaltet. Daneben haben sich unter anderem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die Ministerpräsidenten Polens, Tschechiens und Litauens angekündigt.

Lugano wird jedoch keine Geberkonferenz sein. Bei dem Treffen soll eine Strategie entworfen werden, die sich am Marshall-Plan orientiert, der nach dem Zweiten Weltkrieg zum Wiederaufbau Europas beigetragen hat. Der Wiederaufbau der Ukraine, die in vier Monaten Krieg verheerende Zerstörungen erlitten hat, wird voraussichtlich Hunderte Milliarden Euro kosten. Er werde sich “über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinziehen”, sagte der Schweizer Konferenz-Beauftragte Simon Pidoux vor Beginn des zweitägigen Treffens. Die Ukraine wird in Lugano auch mit Forderungen nach umfassenden Reformen konfrontiert werden, insbesondere bei der Bekämpfung der im Land weitverbreiteten Korruption.

Selenskyi: Wir werden nach Lyssytschansk zurückkehren

In seiner nächtlichen Videobotschaft hat Präsident Selenskyj eingeräumt, dass sich die Streitkräfte seines Landes aus der Stadt Lyssytschansk im Donbass zurückgezogen haben. Er verspricht er jedoch, die Kontrolle über das Gebiet wiederherstellen zu wollen. Dazu würden die Taktik der Armee und neue, verbesserte Waffen beitragen: “Die Ukraine gibt nichts verloren.”

Die ukrainische Armee bewege sich vorwärts – sowohl im Gebiet Charkiw im Osten, als auch im Gebiet Cherson im Süden und auf dem Schwarzen Meer.

Russia Ukraine War

Verbrannte Erde – Lyssytschansk nach dem Einmarsch russischer Truppen

Lyssytschansk war die letzte größere Bastion der Ukrainer im Gebiet Luhansk. Nach wochenlangen Kämpfen gegen prorussische Separatisten und die russische Armee mussten die ukrainischen Truppen die Verteidigung der strategisch wichtigen Stadt aufgegeben. Die Militärführung hatte zuvor mitgeteilt, eine weitere Verteidigung der Stadt hätte fatale Konsequenzen gehabt. Um das Leben der Soldaten zu retten, sei die Entscheidung zum Abzug getroffen worden.

Kein Platz für russische Sportler bei internationalen Turnieren

Bei einem Treffen mit IOC-Präsident Thomas Bach in Kiew hat Präsident Selenskyj den Ausschluss russischer und belarussischer Sportler aus vielen Turnieren begrüßt. Man dürfe nicht zulassen, dass ein Terrorstaat den Sport nutzt, um seine politischen Interessen und Propaganda zu fördern.

Ukraine-Krieg I Wolodymyr Selenskyj empfängt IOC-Präsident Dr. Thomas Bach

Sport und Politik treffen sich in Kiew – IOC-Chef Thomas Bach (l.) und Päsident Wolodymyr Selenskyj

Er sei dem Chef des Internationalen Olympischen Komitees für dessen “unerschütterliche Position” bei diesem Thema dankbar, betonte Selenskyj. Der Präsident bezeichnete den russischen Angriffskrieg auf sein Land als “brutalen Schlag” für den ukrainischen Sport. “Mehr als 100.000 ukrainische Athleten haben keine Gelegenheit zu trainieren, und hunderte von Sportstätten werden zerstört.”

Lukaschenko – “Praktisch eine Armee mit Russland”

Der kremltreue Machthaber der Ex-Sowjetrepublik Belarus, Alexander Lukaschenko, hat seine enge Verbundenheit mit Russland nochmals bekräftigt. Belarus sei so eng mit der Russischen Föderation verbunden, “dass wir praktisch eine gemeinsame Armee haben. Aber das wussten Sie ja alles. Wir werden weiterhin mit dem brüderlichen Russland fest vereint sein”, sagt Lukaschenko bei einer Feier zum Jahrestag der Befreiung von Minsk durch sowjetische Truppen im Zweiten Weltkrieg. Er habe Putins Vorgehen gegen die Ukraine “vom ersten Tag an” unterstützt.

Belarus I Präsident Lukashenko - 9th Forum

Alexander Lukaschenko, unbeirrt an der Seite des russischen Präsidenten Wladimir Putin

Deutsche Gasvorräte “reichen für vielleicht ein bis zwei Monate”

Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, geht davon aus, dass Deutschland mit seinen momentanen Gasreserven nicht weit kommt. “Sollten wir kein russisches Gas mehr bekommen und einen durchschnittlich warmen Winter erleben, dann reichen die im Moment eingespeicherten Mengen – einschließlich unserer Verpflichtungen, Gas in andere europäische Länder weiterzuleiten – für vielleicht ein bis zwei Monate”, sagte der Präsident der Regulierungsbehörde den Zeitungen der “Funke Mediengruppe”. Allerdings basierten solche Zahlen auf vielen Unsicherheiten. Derzeit sind die deutschen Gasspeicher zu etwas mehr als 60 Prozent gefüllt.

qu/wa (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.