Julie Gopal – Rohdiamant des Fußballs auf Mauritius

Julie Gopal hat das Zeug zur Nationalheldin von Mauritius. Und dabei ist sie erst 16 Jahre alt. Gopal hat bereits ein Kapitel mauritische Fußballgeschichte geschrieben. Am 15. Januar erzielte sie bei einem Einladungsturnier des saudi-arabischen Fußballverbands in der 62. Minute des Spiels gegen Pakistan den Siegtreffer zum 2:1: Aus rund 30 Metern hob sie den Ball über die zu weit vor dem Kasten stehende pakistanische Torfrau ins Netz. Es war der erste Erfolg des “Lady Club M”, wie die Frauen-Nationalmannschaft von Mauritius genannt wird, bei einem internationalen Fußball-Turnier – und möglicherweise der Startschuss zu einer großen Karriere der jungen Mittelfeldspielerin.

Erfolgreiches Probetraining in Brest

Der Klub Stade Brest, der in der zweiten französischen Frauenfußballliga spielt, lud Gopal für diesen April zu einem einwöchigen Probetraining ein. Es war das erste Mal, dass eine Fußballerin aus Mauritius überhaupt die Chance erhielt, im Ausland vorzuspielen. Die Medien auf der Insel sprachen bereits von einem möglichen Profivertrag für den Jungstar. “Mein Ziel ist es, dieses Training mit erhobenem Kopf zu beenden”, sagte Gopal vor der Abreise der mauritischen Zeitung L’Express, “und auf dem Spielfeld bis zur letzten Minute alles zu geben, um zu zeigen, dass ich nach Europa gehöre”.

Das ist ihr offenbar gelungen. Gopal beeindruckte die Verantwortlichen des Vereins in der Bretagne so sehr, dass diese das Probetraining um eine Woche verlängerten. “Es ist zwar noch zu früh, über ihre ‘Zukunft’ als Spielerin zu sprechen”, schreibt Vorstandsmitglied Daniel de Roux der DW. “Aber wir könnten daran interessiert sein, sie im Rahmen eines Doppelprojekts – Sport und Schule – zu uns zu holen.” Bis zum Saisonende werde man nach einer optimalen Lösung für Gopal suchen, so de Roux, “wobei natürlich auch ihre geografische Situation berücksichtigt werden muss”.

Platz 188 der FIFA-Rangliste

Der Inselstaat Mauritius liegt im Indischen Ozean, rund 870 Kilometer östlich von Madagaskar. Bei der letzten Erhebung im vergangenen Jahr zählte die Regierung 1.235.260 Einwohner, davon 627.170 Frauen. Auch wenn Fußball als Nationalsport gilt, feierte Mauritius bisher nur im Boxen internationale Erfolge: Bei den Olympischen Spielen in Peking 2008 gewann Bruno Julie mit Bronze im Bantamgewicht die erste und bisher einzige olympische Medaille für das Land.

Der Frauenfußball steckt auf der Insel noch in den Kinderschuhen. Bei einer Umfrage des Weltverbands FIFA 2019 unter seinen Mitgliedsverbänden nannte Mauritius rund 800 aktive Fußballerinnen, von denen 500 jünger als 18 Jahre waren. 2012 bestritt erstmals ein Frauen-Nationalteam des Inselstaats ein Länderspiel.

2017, 2019 und 2022 nahm Mauritius an den COSAFA-Meisterschaften teil, bei denen die beste Frauen-Mannschaft im südlichen Afrika gesucht wurde. Die Bilanz war ernüchternd: neun Spiele, neun Niederlagen. In der aktuellen FIFA-Rangliste findet sich der “Lady Club M” auf Platz 188 wieder und ist damit Schlusslicht im Weltfußball. Das Positive daran: Es kann nur aufwärts gehen.

Trainer über Gopal: “Haushoch überlegen”

Vor einem Jahr verkündete der Fußballverband von Mauritius, wie er den Frauenfußball auf der Insel fördern wolle: unter anderem mit einer nationalen Liga mit zehn Vereinen, Kursen für Trainerinnen – und mit Talentsichtungen. Julie Gopal wird bereits seit dreieinhalb Jahren an der Internationalen Akademie des FC Liverpool (LFCIA) auf Mauritius ausgebildet. In fast 30 Ländern auf fünf Kontinenten bietet der Traditionsverein aus der Premier League für junge Fußballerinnen und Fußballer Kurse an – wie in dem nahe der Hauptstadt Port Louis gelegenen nationalen Sportzentrum von Mauritius, zu dem auch ein Fußballstadion mit 15.000 Tribünenplätzen gehört.

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Neil Murphy, Cheftrainer der LFCIA Mauritius, ist begeistert von Gopal, die vor ihrer Berufung ins Nationalteam bereits die U17- und die U20-Auswahl als Kapitänin anführte. “Ich glaube, dass Julie im mauritischen Frauenfußball derzeit allen anderen Spielerinnen haushoch überlegen ist. Aufgrund ihres Talents hat sie von klein auf mit Jungen Fußball gespielt, was ihr bei der Entwicklung in der Jugend definitiv geholfen hat”, sagt Murphy der DW. Auch an der Akademie sei sie in eine Jungen-Auswahl aufgenommen worden, “um sie weiter zu fordern und voranzubringen. Julie ist auch ein sehr intelligentes Mädchen, sowohl auf dem Spielfeld als auch außerhalb. Auf dem Spielfeld hat sie einen guten Fußball-IQ und lernt sehr viel über das Spiel. Sie hört gut zu und lernt schnell, was ihr hilft, den anderen immer einen Schritt voraus zu sein”.

Steigendes Interesse an Frauenfußball

Murphy sieht großes Potential für den Frauenfußball auf Mauritius. Jahr für Jahr nähmen mehr Mädchen an den Auswahlkursen der Akademie teil. “Je mehr Spielerinnen regelmäßig trainieren und Spiele bestreiten, desto mehr verborgene Schätze wie Julie Gopal werden hervorgebracht”, ist der Cheftrainer der LFCIA überzeugt. “Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Mädchen an Vorbildern wie Julie orientieren und sich auf die richtige Weise weiterentwickeln können. Davon wird der mauritische Frauenfußball in naher Zukunft profitieren.” Und vielleicht bald die rote Laterne des Schlusslichts der FIFA-Rangliste abgeben.