FC Bayern und Paris St. Germain: ein Ziel, zwei Philosophien

Der größte Unterschied zwischen dem FC Bayern München und Paris St. Germain ist aus glänzendem Silber, 74 Zentimeter hoch, acht Kilogramm schwer und hat an der Seite zwei große Henkel. Lediglich einmal waren die Pariser nah am Gewinn des Champions-League-Pokals dran, doch dann kam Kingsley Coman. Der französische Außenstürmer des FC Bayern München beförderte den Ball im Finale der Königsklasse 2020 mit dem Kopf in das von Keylor Navas gehütete Tor.

Comans Treffer war die Entscheidung im Geisterfinale der Königsklasse in Lissabon. Der Torschütze rannte jubelnd zur Eckfahne, wurde umarmt und schrie seine ganze Freude heraus. “Die Flanke war perfekt. Ich habe dann meine Augen geschlossen und einfach nur den Kopf hingehalten”, erinnerte sich der Franzose damals und ergänzte freudestrahlend: “Es war ein unglaublicher Moment.”

Auch die Pariser Verantwortlichen dürften sich ungläubig die Augen gerieben haben, denn der Siegtorschütze des Gegners war immerhin einmal einer von ihnen, eine Pariser Nachwuchshoffnung. Coman ist in Frankreich geboren und wurde in der Jugend bei PSG ausgebildet. Dort ließ man ihn jedoch nach neun Jahren gehen – seine Qualitäten wurden nicht gebraucht. Über Juventus Turin landete der Außenspieler dann schließlich bei Bayern München.

Tor Kingsley Coman im Champions League Finale 2020

Kingsley Comans wichtigster Treffer im Champions-League-Finale 2020 gegen seinen Jugendklub PSG

In Paris habe man, erklärte Coman später bei “Canal Football Club”, nicht “die Geduld” junge Spieler zu entwickeln. “Das Schwierige an der Situation bei PSG ist, dass sie sofort Ergebnisse sehen wollen. Mit der Entwicklung der jungen Leute hat man nicht sofort Ergebnisse, sondern muss drei oder vier Jahre warten.”

Bayern mit eigenem Nachwuchs erfolgreich

Coman ist nicht der einzige Jugendspieler, der es bei Paris nicht geschafft hat und stattdessen woanders landete: Christopher Nkunku (RB Leipzig) und Moussa Diaby (Bayer Leverkusen) sind zwei weitere Beispiele, die nicht passend für die Ziele von PSG zu sein schienen, dann aber bei Bundesliga-Klubs zu Führungsspielern reiften.

Im Gegensatz dazu standen deutschen Rekordmeister FC Bayern selbst bei den größten Erfolgen immer auch Spieler aus dem eigenen Nachwuchs im Kader. 2001 beim Sieg im Champions-League-Finale waren es Owen Hargreaves und Sammy Kuffour. 2013 mit Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm, David Alaba und Thomas Müller fast die halbe Startelf. 

Bastian Schweinsteiger (r.) und Philipp Lahm in Jubelpose

Starteten ihre Karriere in der Jugend des FC Bayern München: Bastian Schweinsteiger (r.) und Philipp Lahm

Im aktuellen Kader kommen neben Dauerbrenner Müller noch Alphonso Davies, Jamal Musiala, Josip Stanisic und Paul Wanner aus dem eigenen Nachwuchs. Bei PSG stammt dagegen mit Presnel Kimpembe lediglich ein aktueller Stammspieler aus der eigenen Jugend.

Bayerns Rekorstransfers wie “Schnäppchen”

Dennoch gibt es in Sachen Transferpolitik eine große Gemeinsamkeit beider Klubs. Bayern und auch die Pariser kaufen fertige Spieler und schwächen damit meist die nationale, aber auch internationale Konkurrenz. Allerdings bewegen sich die investierten Summen bei den Münchenern auf einem deutlich geringeren Niveau als beim Pariser Hauptstadtklub.

So zahlte der FC Bayern für Lucas Hernandez die Rekordsumme von 80 Millionen Euro, für Matthijs de Ligt zuletzt immerhin 67 Millionen. Das Geld dafür kam teilweise vom berühmten “Festgeldkonto” der Münchener, das über die vergangenen Jahrzehnte immer voller geworden ist und sinnbildlich für nachhaltiges Wirtschaften beim FC Bayern steht. Gegenüber den Pariser Rekordtransfers (Neymar 222 Millionen, Kylian Mbappé 145 Millionen) wirken die beiden teuersten Münchener Neuzugänge aber immer noch wie “Schnäppchen”.

Paris setzt auf große Namen, die ihren Preis haben. Denn für den katarischen Staatsfond “Qatar Sports Investment” (QSI), der den französischen Hauptstadtklub 2012 für 130 Millionen Euro gekauft und Geschäftsmann Nasser al-Khelaïfi die Rolle des Präsidenten gegeben hatte, gibt es seit dem Einstieg bei den Parisern nur ein Ziel: die Marke “PSG” so groß wie möglich zu machen. Und dazu soll vor allem der Gewinn der Champions League beitragen.

PSG-Chef Nasser Al-Khelaifi posiert für ein Foto mit dem teuersten Transfer der Klub-Geschichte Neymar

PSG-Chef Nasser Al-Khelaifi mit dem teuersten Transfer der Klub-Geschichte Neymar

Dank der katarischen Finanzquelle hat der Klub bereits hunderte Millionen Euro in Superstars wie Zlatan Ibrahimovic Neymar, Lionel Messi und Kylian Mbappe investiert. Da die französische Ligue 1 sportlich nicht mit der englischen Premier League oder der spanischen La Liga mithalten kann, stattete PSG seine Topspieler mit fürstlichen Gehältern aus, teilweise fernab jeglicher Realität. Die eigene Jugend bzw. das regelmäßige Hochziehen und geduldige Fördern eigener Jugendspieler wurde dagegen – wie im Falle von Coman – vernachlässigt. Der internationale Erfolg blieb aber ebenfalls aus, denn seit der katarischen Übernahme konnte Paris noch keinen großen Titel gewinnen.

Der heutige Ehrenpräsident und damalige Manager des FC Bayern, Uli Hoeneß, brachte das Geschäftsgebaren der Katarer und ihres “Statthalters”, dem katarischen PSG-Präsidenten Nasser Al-Khelaifi, bereits 2011 im Podcast “11 Leben” auf den Punkt: “Der Unterschied zwischen ihm und mir ist: Ich habe das Geld hart erarbeitet und er hat es geschenkt bekommen.”

Umsatz auf Augenhöhe

Blickt man auf die aktuellen Zahlen und lässt die großen Unterschiede bei den Transfersummen beiseite, so bewegen sich die beiden Klubs, was den reinen Umsatz angeht, trotz unterschiedlicher Geschäftsmodelle auf Augenhöhe: Paris (654,2 Mio.) und Bayern München (653,6 Mio.) belegen in der neuesten Football Money League, der Rangliste der umsatzstärksten Klubs im Weltfußball, die das Wirtschaftsunternehmen Deloitte jährlich herausgibt, den fünften und sechsten Rang – gerade einmal 600.000 Euro trennen die beiden Klubs. Transferausgaben und -einnahmen werden in der Money League nämlich nicht berücksichtigt.

Sportlich aber stehen drei Champions-League-Titel bei den Münchenern (zusätzlich zu drei Titeln im Europapokal der Landesmeister aus der Zeit vor der Champions League), zwei FIFA-Weltpokale und diverse andere internationale Erfolge null internationalen Titeln bei Paris St. Germain gegenüber. Diese Tatsache verleitete Uli Hoeneß vor einigen Jahren zu einer weiteren deutlichen Ansage: “Euer Scheiß-Geld, das reicht nicht!”, ließ er die Pariser und den katarischen Besitzer wissen. Bislang hat er recht behalten.

Eric-Maxim Choupo-Moting vom FC Bayern München macht beim Trainingslager in Doha Selfies mit Fans

Seit Jahren bereitet sich der FC Bayern in Katar auf die Rückrunde vor – und hat auch dort viele Fans

Dabei profitiert auch der FC Bayern von Geld aus Katar. Der deutsche Rekordmeister fliegt seit Jahren ins Trainingslager nach Doha. Die katarische Fluglinie “Qatar Airways” ist Premiumsponsor und hat es auf den Trikot-Ärmel der Münchner geschafft. Genau wie PSG lässt sich also auch der FC Bayern zum Sportswashing-Instrument der Katarer machen und ist damit ein wesentlicher Baustein in der “Soft-Power-Politik” des kleinen, aber sehr finanzkräftigen Landes – sehr zum Unmut vieler Bayern-Fans, die sich wünschen, dass ihr Verein die umstrittene Partnerschaft beendet. 

Al-Khalifi: “Wir müssen weitermachen”

Was die direkten Duelle angeht, so ist die Bilanz so gut wie ausgeglichen. Der 1:0-Erfolg der Bayern im Champions-League-Achtelfinal-Hinspiel war der sechste Sieg für die Münchener im insgesamt elften Duell. Fünf Spiele hat PSG gewonnen. Diesmal – genau wie beim wichtigsten Spiel 2020 in Lissabon – war Coman der Siegtorschütze für die Bayern. Schon 2021 – beim bislang letzten Aufeinandertreffen – gelang den Münchenern im Hinspiel ein Auswärtssieg im Prinzenpark. Dennoch schaffte  Paris damals im Viertelfinale der Königsklasse eine Art kleine Revanche für das zuvor verlorene Endspiel.

PSG-Präsident Al-Khelaifi sagte anschließend bei “Radio Monte Carlo Sport”: “Wir haben uns diese Saison gegen Manchester United, Barcelona und Bayern durchgesetzt, das größte Team. Unser Ziel, und wir haben es vom ersten Tag an offen gesagt, ist es, die Champions League zu gewinnen. Dafür haben wir viel in diesen Verein investiert. Wir haben alles, um die Champions League zu gewinnen. Die Arbeit ist noch nicht beendet. Wir müssen weitermachen.”

Am Ende scheiterte der Klub im Halbfinale jedoch an Manchester City und verpasste erneut den Titel in der Champions League. Nach über zehn Jahren und astronomisch hohen Transfer-Investitionen, entwickelt sich das Projekt “PSG” immer mehr zu einem “Multi-Millionen-Grab” für die Scheichs aus Katar. Dessen ungeachtet werden sie wohl weiter Geld in den Klub stecken – bis der begehrte Silberpokal endlich doch in Paris in der Vitrine steht.

Der Artikel wurde am 15. Februar aktualisiert.