DFB-Präsident Bernd Neuendorf fordert mehr Transparenz bei der FIFA

Mit einem freundlichen Lächeln begrüßte Bernd Neuendorf die zur DFB-Akademie in Frankfurt am Main gekommenen Journalistinnen und Journalisten. Im “Klassenzimmer”, wo normalerweise die Jugendteams des DFB unterrichtet werden, hatte der DFB-Präsident zum Jahrestag seiner Wahl im vergangenen Jahr (11. März 2022) zu einem Mediengespräch eingeladen. Im zweiten Stock des neu errichteten Gebäudes zog der 61-Jährige Bilanz.

“Wir müssen die Spur halten und können den Weg so weitergehen”, sagte Neuendorf, der den DFB in den vergangenen zwölf Monaten durch mehrere Krisen führen musste, die nach den Debakel-Jahren seiner Vorgänger so nicht abzusehen waren. Hinzu kamen der Krieg in der Ukraine mit den energiewirtschaftlichen Folgen, die massiven finanziellen Probleme mit Millionenverlusten, dazu die sportliche Blamage bei der WM in Katar und der Streit mit dem Fußball-Weltverband FIFA.

Von der Champions League in die 2. Liga

Neuendorf, der sich sein erstes Jahr als Kopf des größten Sportverbandes der Welt sicher leichter vorgestellt hatte, wirkte dennoch entspannt. In seinem ersten Statement betonte er immer wieder die “langen Linien”, die er und sein Team im Blick hätten. Man denke nicht von Spiel zu Spiel, sondern wolle den DFB langfristig reformieren und sicher in die Zukunft führen. Das dürfte allerdings nicht so einfach werden, denn neben der sportlichen Krise der Nationalmannschaft der Männer, steht  der Verband vor enormen wirtschaftlichen Herausforderungen.

DFB-Spieler Joshua Kimmich hält seine Hände ans Gesicht und ist enttäuscht nach dem Ausscheiden bei der WM in Katar 2022

Das Ausscheiden der DFB-Elf bei der WM in Katar sorgt für finanzielle Nöte beim DFB

“Ist die Nationalmannschaft erfolgreich, geht es dem DFB gut”, brachte es Schatzmeister Stephan Grunwald, der neben Neuendorf im “Klassenzimmer” Platz genommen hatte, kurz und prägnant auf den Punkt. Nach dem schlechten Abschneiden der DFB-Elf bei den zurückliegenden Welt- und Europameisterschaften, wo das Team in Russland (2018) und Katar (2022) bereits in der Gruppenphase scheiterte, und den damit einhergehenden finanziellen Einbußen, muss Grunwald den DFB nun wieder wirtschaftlich in die Spur bringen.

“Das ist vergleichbar mit einem Verein, der aus der Champions League in die 2. Liga durchgereicht wird.” Grunwald betonte die Abhängigkeit der Nationalmannschaft der Männer vom Erfolg und bezifferte den Haushalt für dieses Jahr auf ein Minus von 19,5 Millionen Euro, und machte deutlich: “Es kann in den nächsten zehn Jahren nicht mehr so weitergehen, weil es dann den Verband nicht mehr gibt.” Zudem, erläuterte Grunwald, würden sich sportliche Misserfolge auf Vertragsverhandlungen mit den Sponsoren auswirken.

Neuendorf: “Das Verhältnis zur FIFA ist professionell kritisch”

Neuendorf versicherte, dass jeder beim DFB verstanden habe, wie die Situation sei. “Ich bin optimistisch, dass wir es schaffen, dieses strukturelle Defizit zu beseitigen”, so der DFB-Präsident. Neuendorf weiß die finanzielle Situation bei Grundwald in sicheren Händen. Er selbst steht kurzfristig vor einer ganz anderen Herausforderung: Die mögliche Wiederwahl von FIFA-Präsident Gianni Infantino am 16. März.

FIFA-Boss Gianni Infantino im Porträt bei einer Pressekonferenz während der FIFA WM in Katar

Lässt der amtierende FIFA-Präsident Gianni Infantino seinen Worten auch Taten folgen? Der DFB bleibt skeptisch

Das Verhältnis zwischen DFB und dem Weltverband sei “professionell kritisch”, erklärte Neuendorf im DW-Interview. Besonders die Diskussionen um die “One-Love”-Binde bei der WM in Katar und das Verhalten Infantinos bei Menschenrechtsfragen hatte zu Irritationen bei dem 61-Jährigen geführt.

“Als größter Verband weltweit erlauben wir uns, genau hinzuschauen, was bei der FIFA passiert. Und wir erlauben uns auch, nachzufragen und zu insistieren, wenn wir keine befriedigenden Antworten auf bestimmte Vorgänge bekommen.” Man habe auch gemeinsame Interessen wie die Entwicklung des Fußballs weltweit, so der Sportfunktionär. “Aber mir mangelt es oft an Transparenz, an Durchlässigkeit, wie Entscheidungen zustande kommen.”

Neuendorf lässt Unterstützung für Infantino offen

Am 16. März treffen sich die Vertreterinnen und Vertreter aller 211 Mitgliedsverbände der FIFA in der ruandischen Hauptstadt Kigali. Infantino strebt dort seine Wiederwahl zum FIFA-Präsidenten an, einen Gegenkandidaten gibt es nicht. Neuendorf knüpfte das DFB-Votum an die Bedingung, dass der Weltverband Auskunft über den aktuellen Stand der von Infantino angekündigten Veränderungen unter anderem beim Arbeitnehmerschutz in Katar gebe, was bisher trotz Nachfragen des DFB noch nicht passiert ist.

DFB-Präsident Bernd Neundorf spricht auf einer Pressekonferenz

DFB-Präsident Bernd Neuendorf möchte mit anderen europäischen Verbänden die FIFA verändern

“Ich erinnere mich an seine [Gianni Infantino, Anm. d. Redaktion] Pressekonferenz in Doha und die Zusagen, die er dort gegeben hat”, erklärte Neuendorf der DW. Dass man zu getätigten Aussagen steht, gehöre zur Glaubwürdigkeit der FIFA, so der 61-Jährige. “Ich muss zugestehen, dass ich dieses Gefühl, dass wirklich daran gearbeitet wird, momentan nicht habe.” Eine Unterstützung zur Wiederwahl Infantinos seitens des DFB falle Neuendorf zum aktuellen Zeitpunkt schwer.

Neuendorf: “Der Wille zur Veränderung ist mit Händen zu greifen”

Der DFB-Präsident hat sich fest vorgenommen Veränderungen bei der FIFA voranzutreiben. Doch stärkeren Einfluss wird der DFB nur nehmen können, wenn Neuendorf im April dieses Jahres ins FIFA-Council gewählt werden sollte. Dann, so der DFB-Präsident, wolle er “den Finger immer wieder in die Wunde legen”.

Unterstützung erhofft sich der 61-Jährige von den anderen europäischen Verbänden. Vor allem mit der norwegischen Vertreterin Lise Klaveness telefoniert Neuendorf regelmäßig. Aber auch mit vielen anderen Präsidenten der Verbände, die bei der WM in Katar qualifiziert waren, habe er in den vergangenen Wochen regen Austausch gehabt. “Der Wille zur Veränderung ist mit Händen zu greifen”, sagte Neuendorf und ergänzte: “Jetzt kommt es darauf an, Verbündete zu finden.”