Cristiano Ronaldo und seine Mission in Saudi-Arabien

“In Europa ist mein Job erledigt. Ich habe alles gewonnen und für die größten Klubs gespielt. Jetzt habe ich eine neue Mission in Asien”, mit diesen Worten stellte sich Cristiano Ronaldo in der vergangenen Woche bei seinem neuen Klub vor. Der umstrittene Wechsel des Weltstars zum saudi-arabischen Verein Al-Nassr war kein normaler Transfer – beinhaltete aber normale fußballerische Elemente – zum Beispiel die Aufregung und Begeisterung der Fans. Jana Mohammed lebt in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad. Sie ist Al-Nassr-Fan seit sie denken kann, aber trotz der vielen Titel, die ihr Klub in der saudi-arabischen Liga gewonnen hat, hat sie so etwas wie rund um den Ronaldo-Transfer noch nie erlebt. “Das ist ein historischer Moment für unseren Verein und unser Land”, sagt sie der DW.

Al-Nassr bestätigte am 30. Dezember den Abschluss eines Zweieinhalbjahresvertrags mit Ronaldo, der Berichten zufolge über 210 Millionen Dollar pro Jahr wert ist. Fünf Tage später streifte der fünffache Champions-League-Sieger das gelbe Trikot Al-Nassrs über, als er im Mrsool-Park-Stadion vor 25.000 Fans vorgestellt wurde.

“Mit Ronaldo größter Verein in Asien”

“Zu sehen, wie Cristiano das gelbe Trikot trägt und danach strebt, die Ziele und Träume meines Lieblingsvereins zu erreichen – das ist ein unglaubliches Gefühl”, sagt Jana. “Ich glaube, dass Gelb zu Cristianos Persönlichkeit passt. Seine Mentalität spiegelt unseren Verein wider: ehrgeizig, fleißig und immer bestrebt, jeden Tag besser zu werden.” Ronaldo nannte seinen Wechsel nach Saudi-Arabien “eine Chance, zu helfen, mich mit meiner Erfahrung einzubringen und den Verein wachsen zu lassen”. Jana Mohammed glaubt, dass der ihr Klub dank Ronaldo in neue sportliche Sphären vorstoßen wird. “Mit Cristiano wird sich Al-Nassr neu positionieren, um der größte Verein in Asien zu werden”, sagt sie.

Cristiano Ronaldo steht vor seiner Präsentation bei Al-Nassr im Spielertunnel, der gelb mit dem Schriftzug CR7 erleuchtet ist

Cristiano Ronaldo hatte nach eigener Aussage viele Angebote, entschied sich aber für Al-Nassr

Ayman Al-Hatami, Anhänger des erbitterten Rivalen Al-Hilal, sieht das naturgemäß anders. Al-Hilal hat 18-mal die Saudi Professional League gewonnen, dazu viermal die asiatische Champions League. Al-Nassr war dagegen erst neunmal Meister und hat noch keinen internationalen Titel gewonnen. “Ich erinnere daran, dass Al-Hilal der größte Verein in Asien ist”, sagt Al-Hatami daher im Gespräch mit der DW und prophezeit: “Al-Hilal wird an der Klub-Weltmeisterschaft teilnehmen, während Al-Nassr und Cristiano im Fernsehen zusehen werden. Cristiano wird Al-Nasr nur helfen, indem er die Anzahl der Follower in den sozialen Medien erhöht, nicht aber die Anzahl der Meisterschaften.”

Verbesserungen durch Ronaldo

Er mag recht behalten, aber das ist möglicherweise Teil des Deals. Es ist sogar fraglich, ob Al-Nassr, das nach zwölf Spieltagen mit drei Punkten Vorsprung Tabellenführer der saudischen Profiliga ist, den 37-Jährigen auf dem Spielfeld überhaupt braucht, um sportlich erfolgreich zu sein. Abseits des Fußballs ist Ronaldos Bedeutung jedoch größer denn je. Der fünfmalige Gewinner des Ballon d’Or hat mit unglaublichen 530 Millionen Followern das populärste Konto auf der Social-Media-Plattform Instagram, mehr als doppelt so viele wie alle 20 Vereine der englischen Premier League zusammen. Er hat auch Al-Nassr bereits zu einem neuen Bekanntheitsgrad im In- und Ausland verholfen.

ein Al-Nassr-Fan macht im Fanshop ein Selfie vor Ronaldo-Trikot

Selfie mit dem Helden-Trikot: Die Begeisterung der Fans ist auch im Fanshop bereits deutlich zu spüren

Man hofft, dass er das Gleiche für die Liga tun wird. Mit zwei Titeln der Nationalmannschaft bei der Asienmeisterschaft (1984 und 1988) und insgesamt sechs Champions-League-Siegen durch saudische Klubs liegt das Land in Asien hinter Japan und Südkorea an dritter Stelle, doch fehlt es ihm an internationalen Fans. Inwieweit sich das künftig ändert, hängt auch von Ronaldo ab.

“Es kommt auf seine Einstellung in der Gruppe an”, sagt Sven Vandenbroeck, der im Oktober seinen Job als Cheftrainer des saudi-arabischen Klubs Abha aufgab, der DW. “Akzeptieren ihn seine Mannschaftskameraden? Ist der Trainer in der Lage oder bereit, alle Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen?” Für den belgischen Trainer gibt es im saudi-arabischen Fußball aber größere Probleme als die Leistungen Ronaldos. “Das Niveau der einheimischen Spieler muss sich bessern, damit auch die Liga besser wird”, sagt er. “Und die Vereine müssen sich dringend verbessern, um mehr Stabilität zu schaffen und eine Wachstumsmentalität zu schaffen.”

Saudi-Arabien und die “Vision 2030”

Der Transfer Ronaldos kann als Hinweis gewertet werden, dass Saudi-Arabien die Gunst der Stunde nutzen möchte. Durch die WM in Katar, bei der die Saudis als einzige in der Lage waren, den späteren Weltmeister Argentinien zu schlagen, stand die Golfregion im Rampenlicht des Weltfußballs – durch Ronaldos Wechsel zu Al-Nassr bleibt sie es. “Die Ausgaben der Golfstaaten für den Fußball sind natürlich ein Ausdruck von Macht, insbesondere von wirtschaftlicher Macht”, erklärt Simon Chadwick, Professor für Sport und geopolitische Ökonomie an der SKEMA Business School, gegenüber der DW. Man investiere aber nicht umsonst, sondern verspreche sich eine Rendite. “Es gibt geopolitische, wirtschaftliche und soziokulturelle Vorteile, die mit den Aktivitäten von Ländern wie Saudi-Arabien verbunden sind”, sagt Chadwick.

Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed Bin Salman

Er steht hinter der “Vision 2030” Saudi-Arabiens: Kronprinz Mohammed Bin Salman

Neben der Bewerbung um den Asien-Cup der Frauen 2026 ist Saudi-Arabien der einzige Anwärter auf die Ausrichtung des Asien-Cups der Männer 2027. Zudem erhielt der Wüstenstaat im vergangenen Oktober bereits den Zuschlag für die Ausrichtung der Asiatischen Winterspiele 2029. All das steht im Zusammenhang mit der “Vision 2030” der Regierung, die darauf abzielt, eine Wirtschaft zu diversifizieren, die lange Zeit vom Öl abhängig war. Der Sport und insbesondere der Fußball stehen dabei im Mittelpunkt.

Mehr Arbeit neben dem Platz?

Und damit auch Cristiano Ronaldo. Als einer der berühmtesten Fußballspieler aller Zeiten könnte er dabei helfen, mit der Fußball-WM das größte Sportereignis der Welt nach Saudi-Arabien zu holen. Der Golfstaat möchte sich offenbar gemeinsam mit Griechenland und Ägypten um die Ausrichtung der WM 2030 bewerben.

“In gewisser Weise verfolgen die Saudi-Araber denselben Plan wie Katar im Vorfeld seiner WM-Bewerbung”, sagt Chadwick. “Die Behörden in Doha haben aktiv Botschafter und Multiplikatoren eingesetzt, um die Wahrnehmung des Landes und die Einstellung zu ihm zu prägen und das Verhalten zu beeinflussen. Nun, da Saudi-Arabien einen Vermögenswert erworben hat, der offensichtlich für die Bewerbung um die Ausrichtung der Weltmeisterschaft gedacht ist, muss das Land ihn auch für sich arbeiten lassen.” Womöglich wird Cristiano Ronaldo daher in Saudi-Arabien außerhalb des Spielfelds sogar mehr gefordert werden als auf dem Platz.

Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.