USA: Die Title-42-Politik läuft aus. Was bedeutet das?

Was ist Title 42?

Title 42 ist Teil des Bundesrechts der USA. In dem Abschnitt 42 ist vieles zusammengefasst, was unter anderem die öffentliche Gesundheit betrifft. Ein Paragraph innerhalb von Title 42 erlaubt dem Leiter der US-Gesundheitsbehörde, Personen die Einreise in die USA zu verweigern, wenn die Gefahr besteht, dass sie ansteckende Krankheiten einschleppen, die ein Risiko für die öffentliche Gesundheit darstellen. 

Im März 2020, also zu Beginn der Corona-Pandemie, berief sich die US-Gesundheitsbehörde unter der Regierung des damaligen Präsident Donald Trump auf diesen Paragraphen: Die Grenzschutzbehörden wurden angewiesen, Migranten ohne gültige Ausweisdokumente umgehend auszuweisen, ohne ihnen das Recht zu gewähren, Asyl zu beantragen. Seither ist Title 42 zu einem Synonym für diese Auslegung des Paragraphen geworden.

Kritiker meinen, er sei damit für eine restriktive Migrationspolitik missbraucht worden. Zum Beispiel unterscheide die Regelung ursprünglich nicht nach Nationalität oder Aufenthaltstitel.

Welche Folgen hatte Title 42 in der Praxis?

Der administrative Aufwand einer Abschiebung unter Berufung auf Title 42 ist wesentlich geringer als sonst. Deshalb gilt das Gesetz als “effektivste politische Maßnahme, große Mengen an Grenzübertritten zu managen, ohne dass Grenzübergänge verstopft werden”, wie es die “New York Times” ausdrückt. Gleichzeitig entfielen bei einer Ausweisung unter Title 42 aber die Strafen, die bei einer Abschiebung nach Title 8, dem US-Migrationsgesetz, anfallen und sich erhöhen, wenn eine Person mehrfach aufgegriffen wird. Immerhin geht es um 50 bis 250 US-Dollar (45 bis 225 Euro) und bis zu zwei Jahre Gefängnis.

Ein Grenzbeamter in grünem Anzug und Schutzausrüstung geht auf einen Pick-up mit der Aufschrift Border Patrol zu.

Gut drei Jahre lang konnten die US-Grenzschützer Migranten ohne Umschweife zurück nach Mexiko bringen

Von März 2020 bis März 2023 hat die US-Grenzschutzagentur 6,6 Millionen Ausweisungen an den Landesgrenzen der USA registriert, davon 97 Prozent an der Südwestgrenze zu Mexiko. In 2,8 Millionen Fällen landesweit beriefen sich die Grenzschutzbehörden auf Title 42. Fast 60 Prozent der Ausweisungen wurden nach Title 8 durchgeführt.

Warum läuft die Title-42-Politik am 11. Mai 2023 aus?

Die Regierung des amtierenden US-Präsidenten Joe Biden hat zwar die unter Trump gängige Praxis, unbegleitete Minderjährige abzuschieben, eingestellt. Die Title-42-Politik als solche wurde aber auch unter Biden fortgeführt. Eigentlich hätte sie bereits im vergangenen November auslaufen sollen, doch das Oberste Gericht verhinderte dies auf Antrag einiger Bundesstaaten. Im vergangenen April dann haben Kongress und Senat beschlossen, den Gesundheitsnotstand, den die Trump-Regierung wegen der Corona-Pandemie im Januar 2020 ausgerufen hatte, nicht zu verlängern.

Der Gesundheitsnotstand endet somit am 11. Mai 2023. Damit entfällt auch die Grundlage für die Anwendung von Title 42 in der beschriebenen Form. Der entsprechende Paragraph bleibt weiterhin in Kraft.

Was bedeutet das für Migranten?

Für Menschen, die in die USA einreisen wollen, bedeutet das Auslaufen der Title-42-Politik, dass sie künftig nicht mehr ohne reguläres Verfahren abgeschoben werden dürfen. Sie erhalten also die Gelegenheit, Asyl in den USA zu beantragen. Ob ihnen ein Aufenthaltstitel gewährt wird, ist jedoch eine ganz andere Frage.

Denn die US-Regierung arbeitet bereits an anderen Gesetzen, um die Zuwanderung aus Lateinamerika zu bremsen. Im Gespräch ist dem Vernehmen nach eine Regelung, die an die Migrationspolitik der Europäischen Union erinnert: Danach müssten Menschen zuerst in den Ländern Asyl beantragen, die sie auf dem Weg in die USA durchqueren. Von Flugreisenden abgesehen würde dies also für alle Menschen gelten, die nicht die mexikanische oder kanadische Staatsangehörigkeit haben, da nur diese Staaten eine Landgrenze mit den USA teilen. Die Menschenrechtsorganisation Washington Office on Latin America (WOLA) sieht in dem Vorhaben einen Verstoß gegen das US-Asylrecht und warnt vor “Massendeportationen”.

Was bedeutet das für die Grenzstädte?

Viele Grenzstädte in den USA bereiten sich darauf vor, dass die Einwandererzahlen noch einmal steigen werden. Einige versuchen, weitere Notunterkünfte zu schaffen, da die vorhandenen weitgehend belegt sind. Auch die Asylverfahren werden nicht einfacher und Asylanwälte kommen kaum mit der Arbeit hinter.

Die Bundesregierung scheint die Grenzregionen vor allem mit Sicherheitskräften, nicht aber mit humanitärer oder finanzieller Hilfe zu unterstützen. Den Grenzbehörden wird daher nichts anderes übrigbleiben, als viele Menschen auf der Straße zu lassen. Für die Migranten könnte es dennoch die bessere Option sein, als nach Nordmexiko abgeschoben zu werden. Denn auch dort finden sie keine feste Unterkunft und leben zahlreichen Berichten zufolge deutlich unsicherer.