Russland setzt Abrüstungsvertrag “New Start” aus

In seiner Rede zur Lage der Nation sagte Russlands Präsident Wladimir Putin, sein Land werde den Atomwaffenkontrollvertrag “New Start” vorübergehend aussetzen. Er betonte dabei, dass es sich nicht um einen Ausstieg handle. 

Zugleich nannte er das Verhalten der USA  ein “Theater des Absurden”. Er bezog sich damit auf Washingtons Vorwürfe, dass Moskau keine Experten zur Inspektion russischer atomarer Verteidigungsanlagen ins Land lasse.

Wenn in Zeiten solcher Spannungen jemand im Westen ernsthaft erwarte, dass Russland diesen Zugang gewähre, sei das “Blödsinn”, meinte Putin. Zugleich bekräftigte er, dass Russland den US-Experten den Zugang nicht gewähre, weil auch russische Inspektoren angesichts westlicher Sanktionen keine Möglichkeit zur Einreise in die USA hätten.

Putin will keine “Einmischung”

Die Aussetzung von “New Start” begründete Putin vor allem damit, dass etwa Frankreich und Großbritannien ihre Atomwaffenarsenale weiter entwickelten und die Nuklearpotenziale gegen Russland ausrichten würden. Putin wertete auch Äußerungen der NATO zu “New Start” als Einmischung und Grund, den Vertrag zu überdenken.

Unterzeichnung New-Start-Abkommen in Prag am 8. April 2010

Feierliche Unterzeichnung des New-Start-Vertrags am 8.April 2010 in Prag

Der Abrüstungsvertrag “New Start” ist das einzige noch verbliebene große Abkommen zur Rüstungskontrolle zwischen den USA und Russland. Es wurde 2010 in Prag unterzeichnet, trat 2011 in Kraft und wurde 2021 unmittelbar nach Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden um weitere fünf Jahre verlängert.

Der Vertrag begrenzt die Atomwaffenarsenale beider Länder auf je 800 Trägersysteme und je 1550 einsatzbereite Sprengköpfe. Zudem ist geregelt, dass Washington und Moskau Informationen über ihre strategischen Atomwaffenarsenale austauschen und bis zu 18 Verifikationsbesuche pro Jahr abhalten dürfen.

Russland will Obergrenze dennoch weiter einhalten

Ungeachtet der von Putin angekündigten Aussetzung will Russland eigenen Angaben zufolge weiter die im “New-Start”-Vertrag festgeschriebene Obergrenze für Atomwaffen einhalten. In einer am Dienstagabend veröffentlichten Mitteilung des Außenministeriums in Moskau heißt es: “Um ein ausreichendes Maß an Vorhersehbarkeit und Stabilität im Atomraketen-Bereich zu wahren, beabsichtigt Russland, an einem verantwortungsvollen Vorgehen festzuhalten, und wird für die Dauer der Vertragslaufzeit die von ihm vorgesehenen quantitativen Beschränkungen für strategische Offensivwaffen strikt einhalten.” 

USA: unverantwortliche Haltung

US-Außenminister Antony Blinken bezeichnete den Schritt Russlands “zutiefst unglücklich und unverantwortlich”. Die USA würden nun genau beobachten, was die russische Regierung tatsächlich unternehme. “Wir werden natürlich sicherstellen, dass wir auf jeden Fall für die Sicherheit unseres eigenen Landes und die unserer Verbündeten angemessen aufgestellt sind”, sagt Blinken in Athen.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg äußerte Bedauern. Die Regierung in Moskau solle die Entscheidung überdenken, sagte Stoltenberg in Brüssel. “Mehr Atomwaffen und weniger Rüstungskontrolle machen die Welt gefährlicher”, so Stoltenberg. Zu Putins Anschuldigung, der Westen versuche Russland zu zerstören, entgegnete Stoltenberg, Russland habe die Ukraine angegriffen. “Es ist Präsident Putin, der diesen imperialen Eroberungskrieg begonnen hat.” Putin habe deutlich gemacht, dass er sich auf weitere Kriege vorbereite. “Putin darf nicht gewinnen”, fügte Stoltenberg hinzu. “Es wäre gefährlich für unsere eigene Sicherheit und die ganze Welt.”

Gegenseitige Vorwürfe

Die NATO hatte Russland zuletzt einen Bruch des Vertrags vorgeworfen. Die Weigerung Russlands, Inspektionen der USA auf seinem Hoheitsgebiet zu ermöglichen, untergrabe die Zukunft des Vertrags, hieß es Anfang Februar aus Brüssel. Moskau wiederum wies diese Vorwürfe bereits damals zurück und schob die Schuld den USA zu.

Experten zufolge verfügt Russland mit fast 6000 Sprengköpfen über das größte Atomwaffenarsenal der Welt. Zusammen besitzen Russland und die USA rund 90 Prozent der weltweiten Atomsprengköpfe.

mak/sti/uh (dpa, afp, rtr)