“Havanna-Syndrom” war kein ausländischer Angriff

Die Geheimdienste gehen nicht davon aus, dass ein “ausländischer Gegner” für das sogenannte Havanna-Syndrom bei amerikanischen Diplomaten verantwortlich ist. Dies sei das vorläufige Abschlussergebnis jahrelanger nachrichtendienstlicher Untersuchungen zu den mysteriösen Erkrankungen von Botschaftspersonal, heißt es in einem nun veröffentlichten Bericht mehrerer US-Geheimdienstbehörden. Eine plausible Erklärung für die Fälle gebe es weiterhin nicht. Es handle sich um ein frustrierendes “Rätsel”, zitiert die “Washington Post” einen Geheimdienstmitarbeiter. Die Dienste seien “offen für neue Ideen und Beweise”.

Zur Ursache weiter nur Vermutungen

US-Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines erklärte, die Dienste hätten es mehrheitlich als “höchst unwahrscheinlich” eingestuft, dass ein gegnerischer Staat für die Gesundheitsprobleme wie Benommenheit, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Hör- und Sehproblemen verantwortlich sei. Die Symptome würden vermutlich vielmehr auf “Vorerkrankungen, gewöhnliche Krankheiten und Umweltfaktoren” zurückgehen.

McLean, USA | Avril Haines, Direktorin National Intelligence

Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines: “Gewöhnliche Krankheiten und Umweltfaktoren” verursachen “Havanna-Syndrom”

An der Untersuchung beteiligt waren sieben der 18 US-Geheimdienste. Überprüft wurden weit mehr als tausend Fälle in knapp hundert Ländern. In vielen Fällen fanden sich demnach Erklärungen für die Erkrankungen, wie schlecht funktionierende Klima- und Lüftungsanlagen oder elektromagnetische Wellen, die von harmlosen Geräten wie einer Computermaus ausgingen. Fünf der Geheimdienstbehörden kamen demnach zu dem Schluss, dass es “sehr unwahrscheinlich” sei, dass ein ausländischer Gegner mit dem Einsatz einer Energiequelle die Gesundheitsprobleme verursacht habe. Eine der Behörden legte sich auf die Bewertung “unwahrscheinlich” fest, ein Geheimdienst enthielt sich einer Beurteilung.

Erste Krankheitsfälle vor fast sechseinhalb Jahren

Die gesundheitlichen Probleme der Mitarbeiter der US-Regierung und ihrer Angehörigen würden nicht infrage gestellt, betonten Haines und CIA-Direktor William Burns. Man werde weiterhin auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der CIA-Mitarbeiter achten und ihre medizinische Versorgung sicherstellen.

Die ersten Fälle des “Havanna-Syndroms” waren vor mehr als sechs Jahren bei Diplomaten in der kubanischen Hauptstadt festgestellt worden. Seit 2016 litten dutzende kanadische und US-Repräsentanten sowie deren Angehörige in Kuba unter den genannten Krankheitssymptomen. Einige der Betroffenen verloren dauerhaft ihr Gehör. Das Botschaftspersonal in Havanna wurde damals daraufhin auf ein Minimum reduziert. Später wurden auch Fälle aus Australien, China, Russland, Deutschland, Österreich, Kolumbien und sogar in Washington gemeldet.

Eine Hypothese – Angriff mit Funkfrequenzen?

Über die Ursache für die Beschwerden gab es zahlreiche Spekulationen. So wurde vermutet, ein feindlicher Staat könne Akustik- oder Elektroschallwaffen eingesetzt haben. Immer wieder wurde dabei auch Russland als möglicher Verursacher genannt. Noch im vergangenen Jahr war ein unabhängiges Expertengremium zu dem Schluss gekommen, dass manche Fälle des “Havanna-Syndroms” durch eine Art gezielten Einsatz elektromagnetischer Strahlung ausgelöst worden sein könnten.

Viele der Betroffenen behaupten, sie seien Opfer eines vorsätzlichen Angriffs geworden. Sie warfen der US-Regierung in auch immer wieder vor, die Symptome herunterzuspielen. Die Regierung in Washington hatte in den vergangenen Jahren nicht ausschließen wollen, dass es sich beim “Havanna-Syndrom” um eine Art Angriff handeln könnte – es wurde aber immer betont, dass man nicht wisse, was dahinterstecke.

qu/rb (dpa, afp, rtr)