Deutsche sehen die Ukraine auf lange Sicht in der NATO

Am 24. Februar jährt sich der Tag, an dem Russland die Ukraine angriff. Zehntausende Soldaten haben in diesem Krieg bereits ihr Leben gelassen. Dazu kommen die zivilen Opfer. Laut Zählungen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte hat es bis jetzt mindestens 7110 Todesopfer und mehr als 11.000 Verletzte in der ukrainischen Zivilbevölkerung gegeben, darunter viele hundert Kinder. Doch das sind nur die offiziell bestätigten Zahlen und die Opfer jenseits der Konfliktlinie im Donbas sind nicht erfasst.

Der Krieg in der Ukraine und seine Folgen ist auch in Deutschland nach wie vor ein zentrales Thema. Die Bürger machen sich viele Sorgen. Das zeigen die Ergebnisse des aktuellen ARD-Deutschlandtrends, den das Meinungsforschungsinstitut infratest-dimap im Auftrag der Nachrichtensendung “Tagesthemen” zwischen dem 30. Januar und 1. Februar 2023 erhoben hat. Befragt wurden 1328 Wahlberechtigte in Deutschland, die Ergebnisse sind repräsentativ für alle wahlberechtigten Bürger.

 

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Auch wenn die Betroffenheit in der ersten Zeit nach dem Kriegsausbruch größer war, machen sich 82 Prozent der Bundesbürger nach wie vor Sorgen um die Menschen in der Ukraine. Gleichzeitig machen sie sich aber auch Gedanken über die deutsche und europäische Sicherheit.

Eine mögliche Ausweitung russischer Angriffe auf weitere Nachbarländer bewegt sechs von zehn Bundesbürgern. Ähnlich viele teilen Bedenken, dass Deutschland direkt in den Krieg hineingezogen werden könnte. Sorgen, dass der Krieg negative Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands hat, äußern 68 Prozent.

Nun auch Kampfpanzer für die Ukraine

Deutschland unterstützt die Ukraine finanziell, humanitär, aber auch militärisch. Unverändert ist ein gutes Drittel der Bundesbürger zufrieden mit dem Berliner Ukraine-Politik, während sich sechs von zehn Befragten negativ äußern. Es hängt allerdings durchaus auch vom jeweiligen Thema ab, wie groß die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit ist.

Das zeigt sich bei der Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz, nun auch die von der Regierung in Kiew geforderten Leopard-2-Kampfpanzer zu liefern. Ob das ein Fehler gewesen sei, hat infratest-dimap gefragt. Nein, sagen 52 Prozent der Bürger. 39 Prozent sind hingegen der Meinung, dass die Panzerlieferungen falsch sind. Große Unterschiede gibt es beim Blick auf die Parteianhänger.

Die Entscheidung, Kampfpanzer in die Ukraine zu liefern, hat in der Meinungsbildung der Bundesbürger durchaus etwas bewegt. Während im ARD-Deutschlandtrend im Januar noch 25 Prozent der Befragten der Ansicht waren, die Waffenlieferungen gingen nicht weit genug, sind es jetzt nur noch 15 Prozent. 35 Prozent – und damit neun Prozent mehr als im Januar – sind der Meinung, dass die deutschen Waffenlieferungen zu weit gehen.

Während es bei der Beurteilung der Sanktionen gegen Russland nur wenig Bewegung gibt, sind deutlich mehr Befragte der Meinung, dass die diplomatischen Bemühungen zu kurz kommen. 58 Prozent der Befragten und damit sechs Prozent mehr als im Januar sind der Meinung, dass die Politik mehr dafür tun muss, den Krieg zu beenden.

Deutsche sehen die Ukraine in der EU und in der NATO 

Ginge es nach den Wünschen der Regierung in Kiew, würde die Ukraine sowohl Mitglied der Europäischen Union als auch der NATO. Die Einbindung in bestehende Bündnisstrukturen bestimmt die Debatten um eine tragfähige Sicherheitsarchitektur in Europa nicht erst seit 2022. Sie hat mit dem russischen Angriff aber an Aktualität gewonnen, im Juni vergangenen Jahres wurde der Ukraine ein offizieller EU-Kandidatenstatus zugewiesen.

Trotz leicht rückläufiger Zustimmung stehen die Bundesbürger einer langfristigen Aufnahme der Ukraine in die EU weiterhin überwiegend positiv gegenüber (58 Prozent; fünf Prozentpunkte weniger als im März 2022). Eine NATO-Mitgliedschaft überzeugt zumindest auf lange Sicht jeden Zweiten (51 Prozent). 2014, im Jahr der russischen Krim-Annexion, schied eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine für eine Mehrheit noch grundsätzlich aus.

Wie steht es um die Bundeswehr?

Deutschland ist der NATO 1955 beigetreten und ist unter den 30 Mitgliedsstaaten des Verteidigungsbündnisses eines der großen Länder. Der Krieg in der Ukraine hat in vielen Staaten eine Diskussion über die eigenen militärischen Fähigkeiten ausgelöst. Das trifft auch auf Deutschland und die Bundeswehr zu. Im ARD-Deutschlandtrend haben die Meinungsforscher die Bürger zu diesem Thema befragt.

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Das aktuelle Gesamtbild der Bundesbürger von ihren Streitkräften fällt erkennbar schlechter aus als in früheren Jahren. Nach 59 Prozent im September 2020 sprechen derzeit nur noch 35 Prozent der Bundeswehr ihr Vertrauen aus. Ausrüstungsfragen spielen hierbei eine wichtige Rolle. Gerade einmal acht Prozent der Befragten bauen momentan darauf, dass die deutsche Armee für ihren Auftrag ausreichend ausgestattet ist.

Lediglich 38 Prozent äußern Vertrauen, dass die Bundeswehr mit ihren Bündnispartnern derzeit einen möglichen Angriff auf das NATO-Territorium abwehren könnte. Aber auch Fragen der inneren Führung beeinträchtigen die Wahrnehmung der Truppe. So bezweifeln 60 Prozent, dass in den eigenen Reihen angemessen gegen rechtsextremes Gedankengut vorgegangen wird.

Vorschuss-Lorbeeren für den neuen Minister

Der neue Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) steht vor gewaltigen Aufgaben, scheint bei den Bundesbürgern aber auch große Erwartungen auf positive Veränderungen in der Bundeswehr zu wecken. In der Liste der beliebtesten Politiker landet er auf Anhieb auf Platz vier. Nur die grüne Außenministerin Annalena Baerbock, der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erreichen momentan einen größeren Zuspruch in der Bevölkerung.

Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahlen stattfinden würden, würde die SPD mit 20 Prozent Zuspruch wieder besser abschneiden als die Grünen mit 18 Prozent.

An erster Stelle liegt trotz leichter Einbußen auch im Februar die Union (27 Prozent). Die FDP hätte sieben Prozent, die Linke würde mit vier Prozent den Einzug in den Bundestag verpassen. Die AfD, die vor nunmehr zehn Jahren gegründet wurde, scheint sich im Bundestag fest etabliert zu haben. In der bundespolitischen Stimmung kommt sie momentan auf 15 Prozent und wäre damit vierstärkste Kraft.