Amoklauf in Hamburg: Wer sind die Zeugen Jehovas?

Jehovas Zeugen verstehen sich als die wahren Christen und beten zu einem “allmächtigen und ewigen Gott” Jehova. Wobei Jehova als unsichtbare Person gesehen wird, die unabhängig vom Menschen existiert, aber ein persönliches Interesse an jedem einzelnen Menschen hat. Jesus Christus betrachten die Zeugen als das erste und einzige von Gott allein erschaffene Geschöpf.

Für sie gibt es nur eine Wahrheit. Und die findet sich in der Bibel. Aus ihrer Sicht enthält sie das irrtums- und widerspruchslose Wort Gottes. Insofern sind die Zeugen auch überzeugt, dass die Bibel mit den Wissenschaften vereinbar ist und sie die beste Anleitung zu Ethik und Moral enthält.

Im Mittelpunkt der Verkündigung der Zeugen Jehovas steht ihr Glauben, die Endzeit sei bereits angebrochen. Sie stünden als gläubige Minderheit einer übergroßen Mehrheit unter der Herrschaft Satans gegenüber. Als auserwählte Gemeinde würden sie dagegen in eine neue Welt gerettet.

Brandenburg Königreichssaal der Zeugen Jehovas

In sogenannten Königreichssälen (hier im brandenburgischen Beelitz) feiern die Zeugen Jehovas ihre Gottesdienste – die Bezeichnung Königreichssaal weist nach ihrem Glauben auf das verkündete Königreich Gottes hin

Die Zeugen Jehovas sind vor allem bekannt durch ihre ausgeprägte Missionstätigkeit. Dazu gehört das Anbieten kostenloser Bibelkurse und das Verteilen der Zeitschriften “Der Wachtturm” und “Erwachet!”. Aber auch im Internet sind sie mit ihren Lehren vertreten. Die Religionsgemeinschaft stellt ihre Texte auf ihrer Homepage in mehr als 1000 Sprachen in Schrift-, Bild-, Ton- und Videoformaten kostenfrei zu Verfügung.

Die Zeugen lehnen Bluttransfusionen, alle religiösen Feier- und Festtage außer dem Abendmahl und Geburtstagsfeiern ab. Sie bezeichnen sich aus religiösen Gründen als politisch neutral und nehmen deshalb nicht an Wahlen teil. 

Welche Rolle spielen sie in Deutschland?

Die Zeugen Jehovas sind die wohl bekannteste christliche Sondergemeinschaft in Deutschland. Wegen strenger Schulungen, gegenseitiger Kontrollen und der Erwartung des baldigen Weltendes gelten sie als Sekte. Nach Angaben der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen stagniert ihre Mitgliederzahl, teilweise geht sie zurück. Mit rund 175.000 Mitgliedern gehört die deutsche Gemeinschaft aber immer noch zu den größten in Europa.

Am 10. Februar 2006 wurde der Körperschaftsstatus der Zeugen Jehovas anerkannt, welcher der Verwirklichung der Religionsfreiheit dient. Damit wurden sie nach deutschem Staatskirchenrecht zu einer anerkannten Religionsgemeinschaft. Das erlaubt der Organisation, von ihren Mitgliedern Steuern einzuziehen oder ihre innerkirchlichen Strukturen nach eigenen rechtlichen Regeln zu organisieren.

Mahntafel für Zeugen Jehovs im KZ Mauthausen, Oberösterreich

Mahntafel für die ermordeten Zeugen Jehovas im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen in Oberösterreich

Der Körperschaftsstatus gilt auch als eine späte Anerkennung für erfahrenes Leid. Während der Herrschaft der Nationalsozialisten hatten sie den Treueeid auf Diktator Adolf Hitler verweigert, woraufhin sie verfolgt wurden. Hunderte von ihnen kamen in den Konzentrationslagern des “Dritten Reichs” ums Leben.

Wie sind sie weltweit verbreitet?

Weltweit haben die Zeugen Jehovas etwa acht Millionen Mitglieder. Ihre “Weltzentrale” ist in New York. Jahrzehntelang waren die Zeugen Jehovas eine der weltweit am schnellsten wachsenden Religionsgemeinschaften. Dieses Wachstum hat sich seit Mitte der 1990er-Jahre verlangsamt.

Deutschland Fußgängerzone Zeugen Jehovas

Im Auftrag Jehovas: Missionare der Zeugen unterwegs, um neue Anhänger zu gewinnen

Nach eigenen Angaben der Religionsgemeinschaft wurden in den Jahren vor 2015 weltweit jährlich etwa 250.000 bis 300.000 Gläubigentaufen vorgenommen. Laut der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen verzeichnet die Organisation ein nennenswertes Wachstum in Osteuropa und in Lateinamerika.

Was ist ihre Geschichte?

Gegründet wurde die streng organisierte und spendenfinanzierte Gruppe gegen Ende des 19. Jahrhunderts von dem Geschäftsmann Charles Taze Russell (1852 bis 1916). Historisch sind die Zeugen Jehovas ein spätes Ergebnis der sogenannten zweiten großen Erweckungsbewegung Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA. In dieser Zeit entstanden als Gegenbewegung zur Aufklärung zahlreiche protestantische Religionsgemeinschaften.

Als Erweckungsbewegungen werden Strömungen im Christentum bezeichnet, welche die Bekehrung des Einzelnen, das Glaubenserlebnis sowie eine strengchristliche, an der Bibel orientierten Lebensweise besonders betonen.